Grand Prix 2005: Rezensionen

Beim diesjährigen Grand Prix von textfire.de gab es drei Beiträge, hier die Kritik.

[Achtung: Die Kritiken setzen die Kenntnis der Spiele voraus, wer ein Spiel nicht kennt und sich nicht von vorneherein den Spaß verderben will, spielt erst und liest dann.]

Bananenrepublik

von Christoph Menear

In diesem Spiel ist der Spieler ein Tourist, der auf einer fiktiven Insel seinen Vetter besuchen will, der dort ein Praktikum macht. Der zum Grand Prix eingereichte Beitrag ist aber nur der Prolog, der am Flughafen spielt. Ein ehrgeiziges Projekt, leider macht der Prolog keinen Appetit auf das komplette Spiel, das Ende Sommer erscheinen soll.

Bananenrepublik hat einige Schwächen, vor allem im Spiel-Design. Nach der Einleitung werde ich aufgefordert, auch als erfahrener Spieler die Anleitung durchzulesen, die in einem Menü gegliedert ist. In der Kurzanleitung für Einsteiger ist der erste Befehl, der beschrieben wird, undo. Das Textadventure-Verb schlechthin, untersuche wird erst nach setzen und aufstehen in der schlecht geordneten (und formatierten) Liste aufgeführt. Bei den »Besonderen Verben« werden viele aufgeführt, die im Prolog keine Bedeutung haben – wie zum Beispiel die Karte, die wohl erst in der Stadt benutzt werden kann. Andere Verben sind überflüssig, da es sie – wenn auch in anderer Form – bereits gibt [1]. Um jemanden zu bestechen, kann ich nicht »Gib dem Polizisten 20 Pesos« sagen, ich muss die Form »besteche Polizisten mit 20 Pesos« benutzen.

[1] Verben wie knibbeln müssen meines Erachtens nicht extra genannt werden, sie ergeben sich aus dem Kontext. Die Antwort auf »drücke [die Taste] P« ist, man solle »tippe P« verwenden. Der Satz wurde offensichtlich erkannt, warum wird die Aktion nicht ausgeführt?

Gut, der Spieler will seinen Cousin auf der Karibikinsel La Isla Banana besuchen und ist gerade auf dem Flughafen, genauer gesagt auf dem Rollfeld, angekommen. Es gibt einige Dinge im Inventar, die den Spieler auf seinen Besuch auf der Insel einstimmen. Als ich durch das Einbahn-Drehkreuz gehe bekomme ich – in Fettdruck – gesagt:

Ohne alles genau untersucht und mitgenommen zu haben verlässt du das Vorfeld.

Kein Wunder, dass undo das wichtigste Verb ist. Nach dem Rückgängigmachen, der einzigen Möglichkeit, wieder aufs Rollfeld zu gelangen, finde ich – Tada! – einen Kronkorken auf einer zu einem Esstisch umgebauten Kiste [2]. Dies ist also ein Spiel, in dem man alles mitnehmen muss. Das ist nicht per se falsch, aber es ist ein Verstoß gegen die erzählte Geschichte, wenn mich das Programm wegen eines nicht mitgenommenen Kronkorkens anmeckert [3]. Erst später im Spiel, nachdem er den Kronkorken vom Rollfeld gegen jegliche Logik mitgenommen hat, erfährt der Spieler, was es mit den Kronkorken auf sich hat. Es gibt nämlich mehrere davon, und er findet auch ein Poster für fünfzig (Gott bewahre!) Knibbelbilder. Der allererste Raum, der nicht noch einmal betreten werden kann, ist der denkbar schlechteste Platz für den Kronkorken.

[2] Allerdings verhöhnt mich das Spiel, wenn ich die Reste des Frühstücks, die noch auf der Kiste liegen, nehmen will mit der Antwort: »Bist du ein Messie oder was willst du damit?«

[3] In früheren Beta-Versionen, das lese ich aus den Hilfestellungen heraus, war es offenbar gar nicht erst möglich, das Rollfeld zu verlassen, wenn man den Kronkorken nicht hatte.

Ein weiteres Manko ist die Sprache. Der Autor verspricht uns einen »verrückten Tag« in der Karibik, aber beim Versuch, witzig zu sein, schießt er oft übers Ziel hinaus. Dass »einige Gramm Gummi auf der Landebahn ihr Leben lassen müssen« mag vielleicht noch durchgehen, aber Sätze wie »Die hohe Luftfeuchtigkeit scheint jedes Schweißmolekühl [sic] im Raum an sich zu krallen« sind einfach nur verquer. Dass sich der Spieler über die Rechtschreibkünste seines Cousins lustig macht, ist ungeschickt, denn in den Texten des Autors gibt es auch genügend orthografische Fehler.

Die besuchte Insel, von der man im Prolog nur den Flughafen kennen lernt, der sich nicht besonders von anderen Flughäfen in Tourismus-Gebieten unterscheidet, bleibt recht blass. Aus einem Informationsflugblatt, das der Spieler in Flugzeug bekommen hat, werden nur die statistischen Daten Bevölkerung und Fläche genannt, das andere sei unwichtig. Schade. Haben solche Pamphlete nicht immer eine Rubrik »Land und Leute«? Und welche Sprache wird gesprochen – Englisch, Spanisch, Mischmasch? Welchen Wert hat ein Peso, die lokale Währung, mir der man andere bestechen kann? Das alles bleibt unklar.

Letzten Endes kann Bananenrepublik nicht überzeugen, das Versprechen, einen verrückten Tag zu erleben, wird nicht eingehalten. La Isla Banana ist weder eine Greene’sche Farce noch eine bunte, durchgeknallte Insel à la Monkey Island. Sondern (bislang) nur ein Flughafen, auf dem man Knibbelbilder sammelt.

Note: ausreichend

Das Kopialbuch

von Maximilian Kalus

In diesem Abenteuer führt uns der Autor ins Jahr 1542 auf einen Handelshof der Fugger im heutigen Ungarn. Der Spieler ist ein Schreiber. Als er nachts aufwacht, ist seine Liebste verschwunden und, wie sich bald herausstellt, auch das Kopialbuch, ein vetrauliches Buch, in das er Geschäftsbriefe seiner Herrschaften kopiert.

Der Anfang hat Schwung, allerdings nicht so viel wie die Jagd aus Florian Edlbauers letztjährigem Beitrag Zwei Jahre später. Der Schreiber geht eher bedächtig vor, um niemanden am Hof aufzuwecken. Schließlich möchte er das Buch wiederfinden, bevor einer seiner Herren merkt, dass es verschwunden ist. Dazu muss er sich zunächst selbst befreien, dann seine Geliebte finden und den vielen Spuren des Diebs folgen. Die Rätsel sind nicht allzu schwer, und die eingebaute »Tipp«-Funktion habe ich fast nie benötigt.

Die große Stärke des Kopialbuchs ist der detaillierte historische Hintergund. Max Kalus, der mittelalterliche Geschichte studiert hat, hat Daten aus seiner Magisterarbeit verwendet um den Handelshof möglichst authentisch zu implementieren. Dies ist gut gelungen, die Beschreibungen der Räume und Gegenstände enthalten viele Erklärungen und Details. Die Hilfetexte bieten weitere Informationen zum Leben im 16. Jahrhundert.

Ganz ohne Schwächen ist Das Kopialbuch allerdings nicht. Manchmal könnte der Spieler etwas besser geführt werden. Nachdem der Spieler zum Beispiel aus seiner Kammer entkommen ist, muss er im Hof des Kontors erst einmal eine Lichtquelle finden. Vom Hof aus gibt es Ausgänge in alle acht Himmelsrichtungen, aber nur der nach Süden in den Garten kann ohne Lampe betreten werden. Hier hätte es geholfen, wenn die Raumbeschreibung nur alle Ausgänge detailliert beschriebe, wenn der Spieler die Lampe hat, und den Spieler in der Dunkelheit auf den einzig möglichen Ausgang hinwiese. Ebenso ist ein Ausgang im Garten nicht erwähnt, weshalb ich länger als nötig am eigentlich selbsterklärenden Lampenproblem gesessen habe.

Ein anderes Mal stößt der Spieler auf zehn Bücher, die nicht bloß historische Requisiten sind, sondern auch einen Hinweis zur Lösung eines Rätsels liefern: Aus einem der Bücher fällt ein Blatt Papier heraus, wenn man es zum Lesen öffnet. Das Blatt ist vorher nicht sichtbar, und daher ist es etwas unschön, wenn man bei einigen der Büchern gesagt bekommt, man wolle sie im Moment gewiss nicht lesen.

[4] Der Hinweis ist allerdings nicht unbedingt erforderlich, man kann auch durch aufmerksames Lesen der Raumbeschreibungen auf die Lösung des Rätsels kommen.

Das Blatt ist ein drei Bildschirmseiten langes Originaldokument, das im genauen Wortlaut, und zwar in der (für mich) nicht gut lesbaren Schreibweise des 16. Jahrhunderts, wiedergegeben wird. Den wichtigen Hinweis kann man so leicht überlesen [4]. Vielleicht wäre es hier besser gewesen, den Inhalt zusammenzufassen und nur die relevante Passage wörtlich zu zitieren, und den Text des gesamten Briefs für Interessierte im umfangreichen Hilfe-Menü abzulegen.

Dies sind allerdings kleinere Mängel in einem ansonsten soliden und guten Spiel. Das Kopialbuch ist der verdiente Sieger des diesjährigen Grand Prix.

Note: gut

Die Queste I

von Jonas Engels

Nach seinem Debüt Im Labyrinth, das im letzjährigen Grand Prix einen der hinteren Plätze belegte, versucht es Jonas Engels noch einmal. Im Forum entschuldigt er sich und bittet um eine »zweite Chance«.

Diesmal ist der Spieler kein namenloser Besucher eines um ihn herum konstruierten Labyrinths, sondern er übernimmt den Part eines besonders kleinen Zwergs. Trolle belagern die Minen und der Spieler wird bestimmt, über einen längst vergessenen Fluchtweg Hilfe zu holen.

Der Einstieg ist schnell: Zunächst wird der Spieler von einem Freund geweckt und über die Gefahr aufgeklärt. Dies geschieht in einem Dialog, der mit grauen Zitatboxen realisiert ist. Das erzeugt einen sprechblasenartigen Effekt. (Leider muss man sich bei einem Neustart immer wieder durch die ganzen Boxen klicken, das ist lästig.) Die Aufgabe wird dem Spieler vom Ältesten in einer Versammlung aller Zwerge mitgeteilt. Diese Versammlung ist als interaktive Szene implementiert. Man kann seiner Berufung zwar nicht widersprechen und auch nicht mit den anderen Zwergen reden, aber dieser Ansatz ist besser als ein langer, nicht interaktiver Text, in dem die Rede des Ältesten einfach nur wiedergegeben wird.

Im eigentlichen Spiel, bei der Erkundung des Fluchtwegs, will es uns der Autor besonders leicht machen. Man hat regelrecht das Gefühl, dass sich der Autor scheut, den Spieler mit schwierigen Rätseln zu verärgern und daher auf in dieser Form schon oft gesehene Klischees zurückgreift. In einem Rätselspiel wie diesem ist es aber sehr ungeschickt, die einzige Spielmotivation auch noch zu mindern. Die paar Hindernisse sind schnell überwunden und das Spiel ist schnell zu Ende, der Spieler fragt sich: Das war alles?

Technisch ist das Spiel unsauber. Im Schlafraum des Zwergs gibt es einige Dinge, die wohl den Hintergrund des Spielers erklären sollen, aber mit denen man nicht interagieren kann. (Wenn man einmal davon absieht, dass man sich mit dem unerwartet hochprozentigen »Borstentrunk« zu Tode saufen kann. Als Proviant mitnehmen kann man den Trinkschlauch, genau wie eine eigentlich sehr nützliche Spitzhacke, aber nicht.) Eine Karte, die dem Zwerg mitgegeben wird, ist nicht implementiert. (Anders als in Bananenrepublik, wo die Karte zwar implementiert, aber ohne Nutzen ist.) Die Textformatierung ist oft schlecht – ein Rätsel in Reimform wird zum Beispiel nicht richtig umgebrochen -, es gibt viele Rechtschreibfehler und es wird zu viel Text in grauen Zitatboxen ausgegeben, so dass sich der eigentlich frische Effekt vom Anfang schnell abnutzt.

Mit seinem zweiten Grand-Prix-Beitrag kann sich Jonas Engels steigern und auch einige gute Ansätze zeigen, die aber letzten Endes schlecht umgesetzt werden.

Unspielbar ist Die Queste I nicht. Spielenswert aber leider auch nicht.

Note: ausreichend

[1] Verben wie knibbeln müssen meines Erachtens nicht extra genannt werden, sie ergeben sich aus dem Kontext. Die Antwort auf »drücke [die Taste] P« ist, man solle »tippe P« verwenden. Der Satz wurde offensichtlich erkannt, warum wird die Aktion nicht ausgeführt?

[2] Allerdings verhöhnt mich das Spiel, wenn ich die Reste des Frühstücks, die noch auf der Kiste liegen, nehmen will mit der Antwort: »Bist du ein Messie oder was willst du damit?«

[3] In früheren Beta-Versionen, das lese ich aus den Hilfestellungen heraus, war es offenbar gar nicht erst möglich, das Rollfeld zu verlassen, wenn man den Kronkorken nicht hatte.

[4] Der Hinweis ist allerdings nicht unbedingt erforderlich, man kann auch durch aufmerksames Lesen der Raumbeschreibungen auf die Lösung des Rätsels kommen.